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Johann Wolfgang von Goethe

Die Braut von Korinth

Nach Korinthus von Athen gezogen

Kam ein Jüngling, dort noch unbekannt.

Einen Bürger hofft' er sich gewogen:

Beide Väter waren gastverwandt,

Hatten frühe schon

Töchterchen und Sohn

Braut und Bräutigam voraus genannt.

 

Aber wird er auch willkommen scheinen,

Wenn er teuer nicht die Gunst erkauft?

Er ist noch ein Heide mit den Seinen,

Und sie sind schon Christen und getauft.

Keimt ein Glaube neu,

Wird oft Lieb und Treu

Wie ein böses Unkraut ausgerauft.

 

Und schon lag das ganze Haus im Stillen,

Vater, Töchter; nur die Mutter wacht.

Sie empfängt den Gast mit bestem Willen,

Gleich ins Prunkgemach wird er gebracht.

Wein und Essen prangt,

Eh er es verlangt:

So versorgend wünscht sie gute Nacht.

 

Aber bei dem wohlbestellten Essen

Wird die Lust der Speise nicht erregt;

Müdigkeit läßt Speis und Trank vergessen,

Daß er angekleidet sich aufs Bette legt,

Und er schlummert fast,

Als ein seltner Gast

Sich zur offnen Tür hereinbewegt.

 

Denn er sieht, bei seiner Lampe Schimmer

Tritt, mit weißem Schleier und Gewand,

Sittsam still ein Mädchen in das Zimmer,

Um die Stirn ein schwarz- und goldnes Band.

Wie sie ihn erblickt,

Hebt sie, die erschrickt,

Mit Erstaunen eine weiße Hand.

 

Bin ich, rief sie aus, so fremd im Hause,

Daß ich von dem Gaste nichts vernahm?

Ach, so hält man mich in meiner Klause!

Und nun überfällt mich hier die Scham.

Ruhe nur so fort

Auf dem Lager dort,

Und ich gehe schnell, so wie ich kam. –

 

Bleibe, schönes Mädchen! ruft der Knabe,

Rafft von seinem Lager sich geschwind,

Hier ist Ceres', hier ist Bacchus' Gabe,

Und du bringst den Amor, liebes Kind!

Bist vor Schrecken blaß!

Liebe, komm und laß,

Laß uns sehn, wie froh die Götter sind! –

 

Ferne bleib, 0 Jüngling, bleibe stehen!

Ich gehöre nicht den Freuden an.

Schon der letzte Schritt ist, ach! geschehen

Durch der guten Mutter kranken Wahn,

Die genesend schwur,

Jugend und Natur

Sei dem Himmel künftig untertan.

 

Und der alten Götter bunt Gewimmel

Hat sogleich das stille Haus geleert.

Unsichtbar wird Einer nur im Himmel

Und ein Heiland wird am Kreuz verehrt;

Opfer fallen hier,

Weder Lamm noch Stier,

Aber Menschenopfer unerhört!

 

Und er fragt und wäget alle Worte,

Deren keines seinem Geist entgeht:

Ist es möglich, daß am stillen Orte

Die geliebte Braut hier vor mir steht?

Sei die Meine nur!

Unsrer Väter SchwurHat vom Himmel Segen uns erfleht. –

 

Mich erhältst du nicht, du gute Seele!

Meiner zweiten Schwester gönnt man dich.

Wenn ich mich in stiller Klause quäle,

Ach! in ihren Armen denk an mich,

Die an dich nur denkt,

Die sich liebend kränkt: In die Erde bald verbirgt sie sich. –

 

Nein! bei dieser Flamme seis geschworen,

Gütig zeigt sie Hymen uns voraus:

Bist der Freude nicht und mir verloren,

Kommst mit mir in meines Vaters Haus.

Liebchen, bleibe hier!

Feire gleich mit mir

Unerwartet unsern Hochzeitsschmaus!

 

Und schon wechseln sie der Treue Zeichen:

Golden reicht sie ihm die Kette dar,

Und er will ihr eine Schale reichen,

Silbern, künstlich, wie nicht eine war.

Die ist nicht für mich;

Doch, ich bitte dich,

Eine Locke gib von deinem Haar!

 

Eben schlug die dumpfe Geisterstunde,

Und nun schien es ihr erst wohl zu sein.

Gierig schlürfte sie mit blassem Munde

Nun den dunkel blutgefärbten Wein;

Doch vom Weizenbrot,

Das er freundlich bot,

Nahm sie nicht den kleinsten Bissen ein.

 

Und dem Jüngling reichte sie die Schale,

Der, wie sie, nun hastig lüstern trank.

Liebe fordert er beim stillen Mahle:

Ach, sein armes Herz war liebekrank!

Doch sie wiedersteht,

Wie er immer fleht,

Bis er weinend auf das Bette sank.

 

Und sie kommt und wirft sich zu ihm nieder:

Ach, wie ungern seh ich dich gequält!

Aber, ach! berührst du meine Glieder,

Fühlst du schaudernd, was ich dir verhehlt:

Wie der Schnee so weiß,

Aber kalt wie Eis

ist das Liebchen, das du dir erwählt!

 

Heftig faßt er sie mit starken Armen,

Von der Liebe Jugendkraft durchmannt:

Hoffe doch, bei mir noch zu erwarmen,

Wärst du selbst mir aus dem Grab gesandt!

Wechselhauch und Kuß!

Liebesüberfluß!

Brennst du nicht und fühlest mich entbrannt?

 

Liebe schließet fester sie zusammen,

Tränen mischen sich in ihre Lust;

Gierig saugt sie seines Mundes Flammen,

Eins ist nur im andern sich bewußt.

Seine Liebeswut

Wärmt ihr starres Blut;

Doch es schlägt kein Herz in ihrer Brust.

 

Unterdessen schleichet auf dem Gange

Häuslich spät die Mutter noch vorbei,

Horchet an der Tür und horchet lange,

Welch ein sonderbarer Ton es sei:

Klag- und Wonnelaut

Bräutigams und Braut

Und des Liebesstammelns Raserei.

 

Unbeweglich bleibt sie an der Türe,

Weil sie erst sich überzeugen muß,

Und sie hört die höchsten Liebesschwüre,

Lieb und Schmeichelworte mit Verdruß:

Still! der Hahn erwacht! -Aber morgen Nacht

Bist du wieder da? - und Kuß auf Kuß.

 

Länger hält die Mutter nicht das Zürnen,

Öffnet das bekannte Schloß geschwind:

Gibt es hier im Hause solche Dirnen,

Die dem Fremden gleich zu Willen sind?

So zur Tür hinein.

Bei der Lampe Schein

Sieht sie - Gott! sie sieht ihr eigen Kind.

 

Und der Jüngling will im ersten Schrecken

Mit des Mädchens eignem Schleierflor,

Mit dem Teppich die Geliebte decken;

Doch sie windet gleich sich selbst hervor.

Wie mit Geists Gewalt

Hebet die Gestalt

Lang und langsam sich im Bett empor.

 

Mutter! Mutter! spricht sie hohle Worte,

So mißgönnt Ihr mir die schöne Nacht?

Ihr vertreibt mich von dem warmen Orte!

Bin ich zur Verzweiflung nur erwacht?

Ists Euch nicht genug,

Daß ins Leichentuch,

Daß Ihr früh mich in das Grab gebracht?

 

Aber aus der schwerbedeckten Enge

Treibet mich ein eigenes Gericht.

Eurer Priester summende Gesänge

Und ihr Segen haben kein Gewicht;

Salz und Wasser kühlt

Nicht, wo Jugend fühlt,

Ach, die Erde kühlt die Liebe nicht!

 

Dieser Jüngling war mir erst versprochen,

Als noch Venus' heitrer Tempel stand.

Mutter, habt Ihr doch das Wort gebrochen,

Weil ein fremd, ein falsch Gelübd Euch band!

Doch kein Gott erhört,

Wenn die Mutter schwört,

Zu versagen ihrer Tochter Hand.

 

Aus dem Grabe werd ich ausgetrieben,

Noch zu suchen das vermißte Gut,

Noch den schon verlornen Mann zu lieben

Und zu saugen seines Herzens Blut.

Ists um den geschehn,

Muß nach andern gehn,

Und das junge Volk erliegt der Wut.

 

Schöner Jüngling, kannst nicht länger leben,

Du versiechest nun an diesem Ort!

Meine Kette hab ich dir gegeben,

Deine Locke nehm ich mit mir fort:

Sieh sie an genau!

Morgen bist du grau,

Und nur braun erscheinst du wieder dort.

 

Höre, Mutter, nun die letzte Bitte:

Einen Scheiterhaufen schichte du!

Öffne meine bange, kleine Hütte,

Bring in Flammen Liebende zur Ruh!

Wenn der Funke sprüht,

Wenn die Asche glüht,

Eilen wir den alten Göttern zu.

 

 

 

Heinrich August Ossenfelder

 

Mein liebes Mägdchen glaubet

 

Mein liebes Mägdchen glaubet

Beständig steif und feste,

An die gegebnen Lehren

Der immer frommen Mutter;

Als Völker an der Theyse

An tödtliche Vampire

Heydukisch feste glauben.

Nun warte nur Christianchen,

Du willst mich gar nicht lieben;

Ich will mich an dir rächen,

Und heute in Tockayer

Zu einen Vampir trinken.

Und wenn du sanfte schlummerst,

Von deinen schönen Wangen

Den frischen Purpur saugen.

Alsdenn wirst du erschrecken,

Wenn ich dich werde küssen

Und als ein Vampir küssen:

Wann du dann recht erzitterst

Und matt in meine Arme,

Gleich einer Todten sinkest

Alsdenn will ich dich fragen,

Sind meine Lehren besser,

Als deiner guten Mutter?

 

Novalis

Hinüber wall ich

 

Hinüber wall ich,

Und jede Pein

Wird einst ein Stachel

Der Wollust sein.

Noch wenig Zeiten,

So bin ich los,

Und liege trunken

Der Lieb' im Schoß.

Unendliches Leben

Wogt mächtig in mir

Ich schaue von oben

Herunter nach dir.

An jenem Hügel

Verlischt dein Glanz –

Ein Schatten bringet

Den kühlenden Kranz.

0! sauge, Geliebter,

Gewaltig mich an,

Daß ich entschlummern

Und lieben kann.

Ich fühle des Todes

Verjüngende Flut,

Zu Balsam undÄther

Verwandelt mein Blut –

Ich lebe bei Tage

Voll Glauben und Mut

Und sterbe die Nächte

In heiliger Glut.

 

 

A. K. Tolstoi: 

Gedicht aus der Novelle 'Der Vampir'

Der Uhu packte die Fledermaus,
Zerfleischt ihren Leib mit den Krallen.
Der Ritter Ambrosius reitet zu Gast'
Zum Nachbarn mit seinen Vasallen.
Zwar fest ist das Burgtor, viel Riegel davor,
Doch den Gästen öffnet die Wirtin das Tor.

"Nun, Martha, zeig' uns: wo schläft dein Mann?
Dur erbleichst? Du zitterst vor Schrecken?
Am Schlosse strömt gurgelnd die Donau vorbei,
die Nacht wird die Bluttat bedecken.
Sei getrost! Aus dem Grab steht der Tote nicht auf.
Was geschehn muß, geschehe - führ uns hinauf."
 
Am Schlosse strömt gurgelnd die Donau vorbei,
Das Wasser glänzt über den Steinen.
Die Tat ist vollbracht, der Alte ist tot,
Ambrosius zecht mit den Seinen.
Mit ihm sitzt die sündige Gräfin beim Mahl.
Auf blutiger Flut spielt des Mondes Strahl.
 
Am Schlosse strömt gurgelnd die Donau vorbei.
Die Flammen zucken und beben.
Ambrosius ruft: "Ans Werk! Schlagt zu!
Und laßt mir keinen am Leben!
Seid fröhlich, Frau Gräfin, was fällt Euch denn ein?
Ließt selbst ja die lustigen Gäste herein!"
                                                        -
Die gurgelnde Donau spiegelt das Schloß,
Schon halb von den Flammen verschlungen,
Ambrosius spricht zu der plündernden Schar:
"Wir müssen nach Haus, meine Jungen!
Seid fröhlich, Frau Gräfin, was fällt Euch denn ein?
Ließt selbst ja die lustigen Gäste herein."

Es dröhnt über Marthas Haupte der Fluch
Des Gatten. Er rief es im Sterben:
"Verflucht seist du und dein ganzes Geschlecht!
Mein Fluch soll sich weiter vererben!
Eure Liebe werde zu Grauen und Wut!
Die Großmutter sauge der Enkelin Blut!

Verflucht seist du und dein ganzes Geschlecht!
Nicht werd' es befreit aus den Banden,
Als bis sich das Bild dem Gatten vermählt,
die Braut aus dem Grab auferstanden,
Und das letzte Opfer sündiger Glut
Mit zerschmettertem Schädel daliegt im Blut!"

Der Uhu erfaßte die Fledermaus,
Zerfleischt ihr den Leib mit den Krallen.
Von rauchenden Trümmern reitet hinweg
Ambrosius mit seinen Vasallen.
"Seid fröhlich, Frau Gräfin, was fällt Euch denn ein?
Ließt selbst ja die lustigen Gäste herein."

 

 

Heinrich Heine

Helena
Du hast mich beschworen aus dem Grab
Durch deinen Zauberwillen,
Belebtest mich mit Wollustglut -
Jetzt kannst du die Glut nicht stillen
-
Preß Deinen Mund an meinen Mund,
Der Menschen Odem ist göttlich!
Ich trinke deine Seele aus,
Die Toten sind unersättlich

 

Heinrich Heine

 Die Beschwörung

Der junge Franziskaner sitzt
Einsam in der Klosterzelle,
Er liest im alten Zauberbuch,
Genannt der Zwang der Hölle.

Und als die Mitternachtsstunde schlug,
Da konnt' er nicht länger sich halten,
Mit bleichen Lippen ruft er an
Die Unterweltsgewalten.

Ihr Geister! holt mir aus dem Grab
Die Leiche der schönsten Frauen,
Belebt sie mir für diese Nacht,
Ich will mich dran erbauen.

Er spricht das grause Beschwörungswort,
Da wird sein Wunsch erfüllet,
die arme verstorbene Schönheit kommt,
In weißen Laken gehüllet.

Ihr Blick ist traurig. Aus kalter Brust
Die schmerzlichen Seufzer steigen.
Die Tote setzt sich zu dem Mönch,
Sie schauen sich an und schweigen.

 

 

 

Lord Byron

 Doch du, Ungläub'ger

Doch du, Ungläub'ger, sollst dich ringen,
Wenn Monkir wird die Sense schwingen;
Sollst, wenn du seiner Qual entflohn,
Umwandeln Eblis düstern Thron;
Glut, ungestillt und nie zu stillen,
Soll dir im Herzen endlos quillen,
Es kann kein Mund mit Worten malen
der innern Hölle Folterqualen.
Zuerst, als Vampyr umzugehn,
Soll aus der Gruft dein Leib erstehn;
Dann schleich als Scheusal in dein Haus,
Und saug das Blut den Deinen aus;
Um Mitternacht entströmt das Blut,
Des Kinds und Weibes Lebensflut.
Doch deinem Leichnam graß und fahl,
Soll ekel werden dieses Mahl;
Dein Opfer selbst, es es verblich
Erkenn als seinen Vater dich -
Am Stamm welkt deiner Blumen Leben,
Dir, so verflucht, den Fluch dir geben.
Doch eine soll als Opfer fallen,
Die jüngste, liebste dir von allen,
Die soll dich segnend Vater nennen -,
Dies Wort wird dir im Herzen brennen!
Doch würgen mußt du sie und sehn
Der Wange letztes Rot verwehn;
Den letzten Blick, der glasig stiert,
Da leblos drin das Blau gefriert.
Dann reiße mit verruchter Rechte
Vom Haupt herab die blonde Flechte,
Von der ein Löckchen sonst, ein Haar,
Ein süßes Pfand der Liebe war.
Dir soll es jetzt ein Zeichen sein
Der grauenvollsten Todespein!
Es triefe dir von Zahn und Mund
Das beste Blut aus deinem Bund!
Dann tappe nach dem Grabe stumm,
Treib mit Dämonen dich herum,
Bis diese Schar, vor Schreck erbleicht,
Dir dem verfluchtern Unhold weicht.

 

 

Charles Baudelaire

 Der Vampir

O du, die wie der Todesstreich
Tief in mein stöhnend Herz gedrungen;
O du, die einem Dämon gleich,
Von wildem Übermut bezwungen,

Gekommen ist, in meinem Sinn
Zu herrschen und sich einzubetten;
- Du Schmach , der ich verhaftet bin,
So wie der Sträfling seinen Ketten,

So wie der Spieler seiner Sucht,
So wie der Trinker seinem Glase,
So wie die Made ihrem Aase,
- Verflucht bist du, du bist verflucht!

Den raschen Dolch hab ich beschworen,
Daß er die Freiheit mir erzwingt,
Das Gift hab ich umsonst erkoren,
Daß es dem Feigling Hilfe bringt.

Ach! Gift und Dolch mich nur verlachen,
Verächtlich sprechen alle zwei:
"Du bist nicht wert, dich freizumachen
Von so verwünschter Sklaverei,

Du Tor! - wenn dich von diesen Schrecken
Einst auch erlöste unsre Kraft,
So würde deine Leidenschaft
Noch deines Vampyrs Leiche wecken!"

 

 

Charles Baudelaire

 Die Verwandlungen des Vampyres

Das Weib indessen mit dem erdbeerfarbnen Munde,
Sich windend schlangengleich auf glühend heißem Grunde,
Die festen Brüste in das Mieder eingeschnürt,
Es sprach ein Wort aus, das wie Ambrahauch verführt:
-"Auf meinen Lippen liegt ein Schmelz, mir wurden Gaben,
Die das Gewissen im Alkoven tief begraben.
Die Tränen trocknen schnell an meiner stolzen Brust,
Die Greise lachen wie die Kinder voller Lust.
Wer hüllenlos und nackt mich sieht, verzichtet gerne
Auf Mond und Sonne und den Himmel und die Sterne!
Ich bin, mein weiser Freund, in meiner Kunst geschickt,
Wenn fürchterlich mein Arm den schwachen Mann umstrickt,
Und seinem wilden Biß blüht meine Brust entgegen,
So schwach und stark zugleich, so schüchtern und verwegen,
Selbst Engel gäben auf dem Bett sich und heiß,
Die doch geschlechtslos sind, für mich der Hölle preis!"
-
Als aus den Gliedern sie mir alles Mark gesogen,
Und als ich stöhnend mich auf sie hinabgebogen
Zum langen Liebeskuß, da sah ich sie nicht mehr:
Ein Schlauch lag neben mir, mit Schleim und Eiter schwer!
Ich schloß die Augen schnell in fröstelndem Erbeben,
Um sie am Morgen neu emporzuheben,
Doch mir zur Seite an des Ungeheuers Statt,
Das ganz, so glaubte ich, von meinem Blute satt,
Da war ein klapperndes Skelett allein zu sehen,
Abscheulich rasseld wie der Wetterfahne Drehen,
Und wie ein Aushängeschild, am Eisen festgemacht,
Das klappernd sich bewegt im Sturm der Winternacht.

 

Charles Baudelaire

Abel und Kain

I.

Stamm Abels, schlafe, iß und trinke,
Gott lächelt Dir gnädig zu.

Stamm Kains, in Schmutz und Schlamm versinke,
Erbärmlich leb' und ende du.

Stamm Abels, deines Weihrauchs Grüßen
Umschwebt den Seraph mild und rein.

Stamm Kains, wird Deinem schweren Büßen
Denn niemals eine Ruhe sein?

Stamm Abels, reich ist deine Weide,
Und üppige Saat entsproß dem Grund.

Stamm Kains, dich schmerzt im Eingeweide
Des Hungers Qual wie einen Hund.

Stamm Abels, deine Glieder wärme
An väterlichem Herdesbrand.

Stamm Kains, wie scheue Schakalschwärme
Irr frierend, ins Geklüft verbannt.

Stamm Abels, lieb und feilsche teuer!
Dein Silber selbst bringt Junge dir.

Stamm Kains, du Herz voll wildem Feuer,
Verfemt ist deiner Wünsche Gier.

Stamm Abels, groß und zahlreich wirst du,
Den Wanzen in den Wäldern gleich!

Stamm Kains, auf öden Straßen irrst du
Im tiefsten Elend nackt und bleich.

II.

Dein Aas, Stamm Abels, wird verwesen,
Daß es den Boden fetter macht!

Stamm Kains, die Tat, die dir erlesen,
Hast nicht genügend du vollbracht.

Stamm Abels, hör des Urteils Stimme:
Dem Fangspieß ward das Schwert zum Spott!

Stamm Kains, empor zum Himmel klimme,
Und auf die Erde schleudre Gott!

 

Lord Byron

Der Giaur

Als Vampyr fährst zur Erde du,

Dein Leichnam hat im Grab nicht Ruh,

Gespenstisch schleicht er durch dein Haus,

Saugt's Herzblut all der deinen aus,

Daß Schwester, Mutter, Gattin hold,

Tief nachts der Lebensstrom entrollt;

Doch deinem Leichnam, kraß und fahl,

Soll Ekel sein solch Henkersmal;

Dein Opfer soll in dir, eh's starb,

Den Dämon kennen, der's verdarb;

Dir fluchen soll's, du sollst's  verdammen,

Kein Sproß soll deinem Haus entstammen...

Von hag'rer Lipp' und eklem Zahn

Träuft's beste Blut der deinen dann,

Bis heimgejagt ins Grab voll Grausen,

Du mit der Höllenschar mögst hausen,

Die vor'm Gespenst, mehr fluchenswert

Als sie, sich schaudern abwärts kehrt.

 

Johann Wolfgang von Goethe

Der Totentanz

Der Türmer, der schaut zu Mitten der Nacht
Hinab auf die Gräber in Lage;
Der Mond, der hat alles ins Helle gebracht;
Der Kirchhof, er liegt wie am Tage.
Da regt sich ein Grab und ein anderes dann:
Sie kommen hervor, ein Weib da, ein Mann,
In weissen und schleppenden Hemden.

Das reckt nun, es will sich ergetzen sogleich,
Die Knöchel zur Runde, zum Kranze,
So arm und so jung, und so alt und so reich;
Doch hindern die Schleppen am Tanze.
Und weil hier die Scham nun nicht weiter gebeut,
Sie schütteln sich alle, da liegen zerstreut
Die Hemdelein über den Hügeln.

Nun hebt sich der Schenkel, nun wackelt das Bein,
Gebärden da gibt es vertrackte;
Dann klippert's und klappert's mitunter hinein,
Als schlüg' man die Hölzlein zum Takte.
Das kommt nun dem Türmer so lächerlich vor;
Da raunt ihm der Schalk, der Versucher, ins Ohr:
Geh! hole dir einen der Laken.

Getan wie gedacht! und er flüchtet sich schnell
Nun hinter geheiligte Türen.
Der Mond, und noch immer er scheinet so hell
Zum Tanz, den sie schauderlich führen.
Doch endlich verlieret sich dieser und der,
Schleicht eins nach dem andern gekleidet einher,
Und, husch, ist es unter dem Rasen.

Nur einer, der trippelt und stolpert zuletzt
Und tappet und grapst an den Grüften;
Doch hat kein Geselle so schwer ihn verletzt,
Er wittert das Tuch in den Lüften.
Er rüttelt die Turmtür, sie schlägt ihn zurück,
Geziert und gesegnet, dem Türmer zum Glück,
Sie blinkt von metallenen Kreuzen.

Das Hemd muss er haben, da rastet er nicht,
Da gilt auch kein langes Besinnen,
Den gotischen Zierat ergreift nun der Wicht
Und klettert von Zinne zu Zinnen.
Nun ist's um den armen, den Türmer getan!
Es ruckt sich von Schnörkel zu Schnörkel hinan,
Langbeinigen Spinnen vergleichbar.

Der Türmer erbleichet, der Türmer erbebt,
Gern gäb er ihn wieder, den Laken.
Da häkelt -- jetzt hat er am längsten gelebt --
Den Zipfel ein eiserner Zacken.
Schon trübet der Mond sich verschwindenden Scheins,
Die Glocke, sie donnert ein mächtiges Eins,
Und unten zerschellt das Gerippe.

 

 

Karoline von Günderode

1802

Der Kuss im Traume

Es hat ein Kuss mir Leben eingehaucht,

Gestillet meines Busens tiefstes Schmachten.

Komm, Dunkelheit! Mich traulich zu umnachten.

Dass neue Wonne meine Lippe saugt.

In Träume war solch Leben eingetaucht,

Drum leb ich, ewig Träume zu betrachten,

Kann aller andern Freuden Glanz verachten,

Weil nur die Nacht so süßen Balsam haucht.

Der Tag ist karg an liebessüßen Wonnen,

Es schmerzt mich seines Lichtes eitles Prangen

Und mich verzehren seiner Sonne Gluten.

Drum birg dich Aug´ dem Glanze irdscher Sonnen!

Hüll dich in Nacht, sie stillet dein Verlangen

Und heilt den Schmerz, wie Lethes kühle Fluten.

 

(Dieses Gedicht wurde der Vampyrbibliothek von Dalia zugeschickt, wofür ich ihr sehr dankbar bin.)

Tausend Dank Dalia!

 

Karoline von Günderode

Die Bande der Liebe

Ach! mein Geliebter ist tot, er wandelt im Lande der Schatten,
Sterne leuchten ihm nicht, ihm erglänzt kein Tag
Und ihm schweigt die Geschichte; das Schicksal der Zeiten
Gehet den mächtigen Gang, doch ihn erwecket es nicht;
Alles starb mit ihm, mir ist er doch nicht gestorben,
Denn ein ewiges Band eint mir noch immer den Freund.
Liebe heißet dies Band, das an den Tag mir geknüpft
Hat die erebische Nacht, Tod mit dem Leben vereint.
Ja, ich kenne ein Land, wo Tote zu Lebenden reden,
Wo sie, dem Orkus entflohn, wieder sich freuen des Lichts,
Wo, von Erinnerungen geweckt, sie auferstehn von den Toten,
Wo ein irdisches Licht glühet im Leichengewand.
Seliges Land der Träume! wo mit Lebendigen Tote
Wandeln, im Dämmerschein, freuen des Daseins sich noch.
Dort, in dem glücklichen Land, begegnet mir wieder die Teure,
Freuet, der Liebe, sich meiner Umarmung noch;
Und ich hauche die Kraft der Jugend dann in den Schatten,
Daß ein lebendig Rot wieder die Wange ihm färbt,
Daß die erstarreten Pulse vom warmen Hauche sich regen,
Und der Liebe Gefühl wieder den Busen ihm hebt.
Darum frage nicht, Gespielin, was ich so bebe?
Warum das rosige Rot löscht ein ertötendes Blaß?
Teil ich mein Leben doch mit unterirdischem Schatten,
Meiner Jugend Kraft schlürfen sie gierig mir aus.

 

 

John Keats

(1819)
« La Belle Dame sans Merci « 

Ah was befiel dich, Ritters Knab,
Bleich und allein dass du streichst herum?
Die Rohre sind dürr all um den See,
Und die Vögel stumm.

Ah was befiel dich, Ritters Knab,
So hohl und blickend solcher Pein?
Der Hamster hat sein Scheuer bestellt
Und der Herbst ist ein!

Ich seh die Lilj ob deiner Brau
Von Herzweh feucht und Fiebers Hauch,
Und auf der Wang die Rose welkt
Zusehends auch!

"Ich fand ein Fräulein im Gereut,
Ein Feenkind, ganzer Schönheit Bild,
Ihr Haar war lang, ihr Fuß war leicht,
Und ihr Aug war wild.

Ich macht ein Kränzlein für ihr Haupt,
Armspange dazu und duftgen Bort, -
Sie blickt auf mich, als liebte sie,
Und gewann mich dort.

Ich saß sie auf mein schreitend Ross,
Und andres sah ich nicht Tag lang,
Denn seitwärts bog sie sich und fand
Einen Feensang.

Sie fand mir Wurz von süßem Schmack
Und Honig wild, und Manna-Taun,
Und ernst in fremden Laut sprach sie:
Ich lieb dich traun.

Sie nahm mich in den Elfen Grund
Und weint sich dort zu Tode schier;
Ihre wild wilden Augen schloss ich dort
Mit Küssen vier.

Und lullte sie mich dort in Schlaf
Und träumt - ah was sich nie verliert -
Den letzten Traum, den ich geträumt,
Wo der Berghang friert.

Ich schaute Könige und Prinzen fahl,
Fahl Kriegsvolk, totfahl Mann für Mann,
Die schrien: « La belle dame sans merci
Hält dich in Bann.»

Ich sah erhungert ihren Mund
Von grauser Warnung aufgegiert,
Und ich erwacht und fand mich hier
Wo der Berghang friert.

Und darum hause ich hier noch fort
Bleich und allein und ich streich herum,
Ob die Rohre auch dürr all um den See
Und die Vögel stumm.